Veranstaltung: | Bezirksversammlung Mittelfranken Okt 2025 |
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Tagesordnungspunkt: | 5.5. Resolution "Kein Sandabbau im Reichswald" |
Antragsteller*in: | Dr. Bianca Pircher und Verena Osgyan, MdL |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 08.09.2025, 17:02 |
A5: Resolution gegen den geplanten Sandabbau im Reichswald bei Altdorf (Vogelherd)
Antragstext
Der Reichswald ist mehr als nur ein Wald. Er ist europäisches Schutzgebiet
(Vogelschutzrichtlinie, SPA) mit herausragender ökologischer Funktion,
Trinkwasserspeicher, Klimaregulator und prägender Kulturraum für Generationen
von Menschen. Als Lebensraumtyp Mitteleuropäische Flechten Kiefernwälder (Code
91T0) ist er nach Natura 2000 geschützt. Im geplanten Abbaugebiet befinden sich
mehrere gesetzlich geschützte Biotope (6533-0813, -0814, -0058). Den Reichswald
zu erhalten, ist keine symbolische Geste, sondern eine ökologische,
gesundheitliche und gesellschaftliche Notwendigkeit.
Dennoch soll hier – mitten in einem zusätzlich als Bannwald ausgewiesenen Gebiet
– erneut ein großflächiger industrieller Eingriff erfolgen: 39 Hektar Wald
sollen dem Sandabbau geopfert werden – gegen den Willen der betroffenen
Kommunen, gegen den Naturschutz, gegen das Vorsorgeprinzip.
Bereits 1996 und 2021 wurde das Vorhaben mit guten Gründen gestoppt: Ein
Raumordnungsverfahren hatte es als nicht raumverträglich eingestuft. Nun
versucht die Firma Bamberger Sand- und Kiesbaggerei GmbH mit nur minimalen
Anpassungen, das Vorhaben im beschleunigten bergrechtlichen Verfahren
durchzusetzen. Bevölkerung, Kommunen und Öffentlichkeit sollen vor vollendete
Tatsachen gestellt werden – ein Vorgehen, das Transparenz, Beteiligung und
demokratische Legitimation unterläuft.
Der Reichswald am Vogelherd ist im Regionalplan bewusst nur als
Vorbehaltsgebiet, nicht als Vorranggebiet ausgewiesen. Es handelt sich nicht um
eine Primärlagerstätte von landesweiter Bedeutung. Ein Abbau ist raumordnerisch
nicht prioritär und fachlich nicht zu rechtfertigen. Eine Aufforstung nach 35
Jahren Abbau wäre weder praktisch noch ökologisch wirksam: Bannwald gleicht man
nicht durch Neuanpflanzungen aus. Die betroffenen Flechten-Kiefern-Wälder sind
auf tiefe Sandschichten angewiesen. Werden diese entfernt, könnte zwar
irgendwann Wald entstehen, doch niemals derselbe Lebensraumtyp – die
charakteristischen Strukturen und Arten wären unwiederbringlich verloren. Ein
ökologisch gleichwertiger Ersatz ist im Umfeld des Eingriffsgebietes nicht
möglich.
Die Bezirksversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mittelfranken erklärt
unmissverständlich: Dieses Vorhaben entbehrt jeder Genehmigungsfähigkeit – es
widerspricht den Anforderungen des Naturschutzes, der Raumordnung und der
politischen Verantwortung gegenüber Mensch und Umwelt. Es ist ein Beispiel
dafür, wie kurzsichtige Ausbeutung unsere Lebensgrundlagen zerstört.
Kritische Bewertung des Vorhabens
• Das betroffene Areal ist Teil eines gesetzlich geschützten Biotopverbunds
innerhalb des Natura-2000-Netzwerks. Die Fläche erfüllt wesentliche Funktionen
für die lokale und regionale Artenvielfalt. Besonders betroffen sind SPA-Arten,
die auf strukturreiche, trockene Wälder angewiesen sind.
• Der geplante Eingriff liegt in einem Natura-2000-Gebiet und ist damit
europarechtlich besonders geschützt. Eine Genehmigung wäre nur bei fehlender
Alternative und überragendem öffentlichen Interesse zulässig. Beides liegt hier
nicht vor.
• Der Sandabbau würde bis zu 25 Meter tief in den Untergrund eingreifen und die
schützenden Bodenschichten über dem Grundwasser durchbrechen. Damit steigt das
Risiko, dass Schadstoffe ungefiltert in die Trinkwasserversorgung von Altdorf
und Nürnberg gelangen – ein fahrlässiges Risiko mit potenziell gravierenden
Folgen.
• Der entstehende Quarzfeinstaub ist krebserregend. Seine Partikel dringen tief
in die Lunge ein und gefährden vor allem Kinder, ältere Menschen und
vorbelastete Personen. Die gesundheitlichen Risiken sind wissenschaftlich belegt
und werden systematisch verharmlost.
• Der tägliche Abtransport durch 45 oder mehr LKWs über einen Zeitraum von 35
Jahren belastet acht Ortschaften mit Lärm, Feinstaub und Unfallrisiken. Der
Alltag der Menschen vor Ort wird massiv beeinträchtigt – ohne dass sie wirksam
in die Planungen einbezogen wurden.
• Zwei Areale historischer Vogelherde im geplanten Abbaugebiet wurden inzwischen
denkmalrechtlich unter Schutz gestellt. Sie zeugen von der kulturellen
Geschichte der Region und dürfen nicht industrieller Verwertung geopfert werden.
• Die betroffenen Gemeinden Altdorf, Winkelhaid und Leinburg haben ihre
Ablehnung beim Scoping-Termin am 27.09.2024 deutlich artikuliert, wie auch die
Staatsforstverwaltung. Die Staatsregierung plant dennoch, das Vorhaben ohne
neues Raumordnungsverfahren weiterzuführen – obwohl sich die raumordnerischen
Konflikte nicht substantiell verändert haben.
• Statt Natur zu zerstören, müsste die Bayerische Staatsregierung den Ausbau von
Recycling Baustoffen energisch vorantreiben. Das Maßnahmenpaket „Mission
RC20/25“ bleibt bislang weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Eine
zukunftsfähige Rohstoffstrategie darf nicht auf Kosten der letzten naturnahen
Räume gehen.
Unsere Forderungen
1. Der geplante Sandabbau im Reichswald bei Altdorf ist sofort und dauerhaft zu
stoppen.
2. Das Vorbehaltsgebiet QS14 muss umgehend aus dem Regionalplan gestrichen
werden.
3. Neue Abbauvorhaben in Bannwald- und Natura-2000-Gebieten müssen grundsätzlich
ausgeschlossen werden.
4. Ein Raumordnungsverfahren ist bei jeder relevanten Änderung eines Vorhabens
verbindlich einzuleiten – mit gerichtlicher Überprüfbarkeit. Die Einschätzung
der Raumverträglichkeit darf nicht allein dem Antragsteller oder der
Genehmigungsbehörde überlassen bleiben.
5. Der Einsatz von Sand- und Kiesrecycling muss durch gesetzliche Vorgaben,
Förderprogramme und Marktanreize deutlich ausgeweitet werden. Der Vorrang von
Recyclingmaterialien gegenüber Primärabbau ist gesetzlich zu verankern.
6. Es ist untragbar, dass über ein Vorhaben dieser Tragweite allein nach
bergrechtlichen Maßstäben entschieden wird. Die systematische Zurückstellung
aller anderen öffentlichen Belange – von Naturschutz über Denkmalschutz bis zu
kommunalen Interessen – ist nicht hinnehmbar und muss durch rechtlich
verbindliche Beteiligungspflichten ersetzt werden.
7. Wir fordern die Staatsregierung auf, die im Besitz der Staatsforsten
befindlichen Bannwaldflächen, die für den Sanddabbau benötigt würden, nicht zur
Verfügung zu stellen oder gar zu veräußern.
Beschluss der Bezirksversammlung
Die Bezirksversammlung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Mittelfranken fordert die
Bayerische Staatsregierung auf, den geplanten Sandabbau im Reichswald bei
Altdorf (Vogelherd) aktiv zu verhindern. Alle zuständigen Fachbehörden sind
anzuweisen, dem Vorhaben nicht zuzustimmen und stattdessen die dauerhafte
Sicherung des Areals als Biotop und Erholungsraum zu betreiben. Die
Bezirksversammlung ruft die Landesebene, die Landtagsfraktion sowie alle
Gliederungen der Partei dazu auf, diese Resolution zu unterstützen und gemeinsam
für den Schutz des Reichswalds einzutreten.
Wir erklären unsere volle Solidarität mit den betroffenen Gemeinden, den lokalen
Initiativen und allen Menschen, die sich für den Erhalt dieses einzigartigen
Naturraums einsetzen. Unsere Position ist klar: Der Reichswald ist keine
Rohstoffreserve – er ist Teil unseres natürlichen Erbes. Wir stehen für seine
Bewahrung – konsequent, faktenbasiert und mit allem Nachdruck.
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